UN-Ausschuss für Menschenrechte kritisiert Deutschland

UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte kritisiert Deutschland wegen Verhinderung des Familiennachzugs

Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte kritisiert die deutsche Bundesregierung in einem aktuellen Bericht, weil sie das Recht auf Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen einschränkt. Er empfiehlt der Regierung, die Beschränkung auf maximal 1000 Visa pro Monat aufzuheben und subsidiär Schutzberechtigten und ihren Familien zu ermöglichen, wieder zusammen zu leben.

Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte ist ein Organ innerhalb der Vereinten Nationen. Seine Aufgabe ist, zu überwachen, ob die Staaten sich an ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen aus dem „Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ („WSK-Pakt“) von 1966 halten. Deutschland hat den „WSK-Pakt“ im Jahr 1973 unterschrieben. Das bedeutet, dass Deutschland sich damit verpflichtet hat, die darin enthaltenen Menschenrechte zu gewähren. Zu diesen Menschenrechten gehört auch das Menschenrecht auf das Recht auf Schutz und Beistand für die Familie (Artikel 10 des „WSK-Pakts“).

Wie viele Flüchtlingsinitiativen, Nichtregierungsorganisationen und (linke und grüne) Politiker*innen kritisiert nun also auch das zuständige UN-Organ die Bundesregierung, weil sie die Menschenrechte verletzt: Von März 2016 bis Juli 2018 wurde subsidiär Schutzberechtigten der Familiennachzug ganz verwehrt. Seit August 2018 dürfen maximal 1000 Familienangehörige „aus humanitären Gründen“ ein Visum bekommen. Für die Mehrheit der betroffenen Familien bedeutet das: weitere Familientrennung, weitere Unsicherheit, weiteres Leid, weitere Verzweiflung. Wir aber sagen: Die Regierung darf ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht einfach ignorieren und stattdessen eine menschenfeindliche Abschottungspolitik vorantreiben! Menschenrechte lassen sich nicht kontingentieren! Das Recht auf Familienleben muss für alle gelten!

Hier die Empfehlung des UN-Ausschusses im englischen Original und in deutscher Übersetzung:
„28. The Committee appreciates the efforts made by the State party to host a large number of refugees and other migrants forced to flee their countries. However, the Committee notes with concern that the family reunification for persons entitled to subsidiary protection, which is possible since 2015, suspended between March [2016] and July 2018 and reinstated since, remains subject to a quota of 1,000 persons per month, although exceptions are allowed for humanitarian reasons. It is also concerned at the lack of clarity on the procedures and criteria to implement the new regulations. It is further concerned that, under the State party’s legislation, unaccompanied minors with refugee status are expected to guarantee the means of subsistence and accommodation for the entire family in case of family reunification with their minor siblings coming with parents. This leads to an increased number of rejections or deters family reunification. (arts. 2(2) and 10)
29. The Committee recommends that the State party ensure that persons entitled to subsidiary protection are allowed to reunite with their families, including by lifting the quota of 1,000 persons per month. It also recommends that the State party improve its family reunification process, by providing streamlined and clear procedures and criteria for such reunification; and reducing practical and administrative barriers to family reunification; and allow both parents and siblings to reunite without hurdles when an unaccompanied minor who is the first family member arriving in the host State acts as the sponsor.“

Übersetzung auf Deutsch:
28. Der Ausschuss würdigt die Bemühungen des Vertragsstaats, eine große Zahl von Flüchtlingen und anderen Migrant*innen aufzunehmen, die zur Flucht aus ihren Ländern gezwungen sind. Der Ausschuss stellt jedoch mit Besorgnis fest, dass die Familienzusammenführung für Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, die seit 2015 möglich ist, zwischen März [2016] und Juli 2018 ausgesetzt und seitdem wieder aufgenommen wurde, weiterhin einer Quote von 1.000 Personen pro Monat unterliegt, obwohl Ausnahmen aus humanitären Gründen zulässig sind. Er ist auch besorgt über die mangelnde Klarheit über die Verfahren und Kriterien für die Umsetzung der neuen Verordnungen. Sie ist ferner besorgt darüber, dass nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaats erwartet wird, dass unbegleitete Minderjährige mit Flüchtlingsstatus im Falle der Familienzusammenführung mit ihren kleinen Geschwistern, die mit den Eltern kommen, den Lebensunterhalt und Unterbringungsmöglichkeiten für die gesamte Familie gewährleisten. Dies führt zu einer erhöhten Zahl von Ablehnungen oder schmälert die Familienzusammenführung.
29. Der Ausschuss empfiehlt dem Vertragsstaat, dafür zu sorgen, dass Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, sich mit ihren Familien wiedervereinigen können, auch durch Aufhebung der Quote von 1.000 Personen pro Monat. Er empfiehlt ferner, dass der Vertragsstaat seinen Prozess der Familienzusammenführung verbessert, indem er straffe und klare Verfahren und Kriterien für eine solche Familienzusammenführung vorsieht, praktische und administrative Hindernisse für die Familienzusammenführung abbaut und es sowohl Eltern als auch Geschwistern ermöglicht, sich ohne Hürden wieder zu vereinen, wenn ein unbegleiteter Minderjähriger, der das erste im Aufnahmestaat ankommende Familienmitglied ist, als Referenzperson fungiert.

Link: United Nations, Committee on Economic, Social and Cultural Rights: Concluding observations on the sixth periodic report of Germany,12 October 2018