Seit August 2018 gilt das neue Gesetz, durch das aus den Familien von subsidiär Geschützten willkürlich 1000 Menschen pro Monat zum Familiennachzug auswählt werden, während die anderen Familien weiter warten müssen. Damit werden Visumverfahren zum Wettbewerb – mit schlechten Gewinnchancen. Das ist eine Ungerechtigkeit – und es steht im Widerspruch zum deutschen Grundgesetz. Denn es schafft das Grundrecht auf Familienleben für subsidiär geschützte Flüchtling de facto ab.
Und es soll uns spalten, ebenso wie das ganze Asylsystem uns in Schubladen schiebt: Asylberechtigte, Anerkannte nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiär Geschützte, die Unerwünschten: die Geduldeten, die „Ausreisepflichtigen“… Mit jeder Schublade sind bestimmte Rechte oder Einschränkungen von Rechten verbunden. Das ist Unrecht, denn wir sind alle Flüchtlinge, wir haben alle ein Recht auf Schutz.
Wir sind aus Staaten geflohen, in denen die Willkür herrscht. Nun sind wir wieder der Willkür von Behörden ausgeliefert und haben das Gefühl, ein Trauma wieder und wieder zu erleben. Denn auch die Entscheidung des BAMF uns nur den subsidiären Schutz zu geben war reine Willkür.
Zum Beispiel Syrien: Im Jahr 2015 haben fast alle Menschen aus Syrien den Flüchtlingsschutz bekommen. Sie können ihre Familien nachholen. Und obwohl sich die Situation in Syrien nicht geändert hat, bekommen seit 2016 viele Flüchtlinge aus Syrien nur noch subsidiären Schutz, ohne Familiennachzug. Im April wurde bekannt, dass das BAMF seine internen Leitsätze zu Syrien geändert hatte und nun auch der subsidiäre Schutz in Frage steht. Auf der letzten Innenministerkonferenz wurde sogar über mögliche Abschiebungen nach Syrien debattiert. Das ignoriert, dass die Assad-Diktatur in Syrien immer noch an der Macht ist. Ihre Geheimdienste kontrollieren weiter große Teile des Lands – und die letzten Gebiete, die sie nicht kontrollieren, greift die Armee mit ihren Verbündeten aus Russland und dem Iran kontinuierlich an, weil sie diese als „oppositionell“ ansieht. Pazifisten, Regimegegner, Bürgerjournalisten und Menschenrechtsverteidiger werden ohne Haftbefehle verhaftet und über Jahre ins Gefängnis gesteckt, genauso wie Menschen, denen eine „oppositionelle“ Gesinnung unterstellt wird. Oder sie werden in die Armee eingezogen, um gegen ihre Mitbürger zu kämpfen und die Diktatur zu verteidigen.
Die deutsche Regierung versucht mit der Abschaffung des Familiennachzugs geradezu, uns zu zwingen, nach Syrien zurückzukehren. Aber wohin würden wir zurückkehren?
Die syrischen Geheimdienste haben „Fahndungslisten“ mit drei Millionen Namen erstellt – drei Millionen! Darauf stehen alle, die irgendwie im Verdacht stehen, zum Aufstand gegen die Diktatur beigetragen zu haben. Jamil Hassan, der Chef des syrischen Luftwaffengeheimdienstes sagt wörtlich über Rückkehrer: „Nach ihrer Rückkehr werden wir sie wie Schafe behandeln. Wir werden die beschädigten aussortieren und die guten nutzen.“ Dorthin sollen wir zurückkehren?!
Nein! Wir kehren solange nicht zurück, wie diese Diktatur an der Macht ist, solange die Geheimdienste uns für jedes Wort der Kritik verhaften können, solange Pazifisten, Aktivistinnen und Aktivisten in Haft sitzen – aber die Täter von Kriegsverbrechen, frei herumlaufen können.
Nein! Wir kehren nicht zurück, nicht nach Syrien und nicht in andere Länder. Denn es gibt keine sicheren Herkunftsländer. Wir hatten alle Gründe zu fliehen.
Wir Flüchtlinge und unsere Familien haben ein Recht auf Schutz in Deutschland. Denn es sind auch deutsche Waffen, mit denen Kriege in der ganzen Welt geführt werden. Denn es ist auch die deutsche Wirtschaft, die durch Klimawandel, Ausbeutung anderer Länder und der Kooperation mit vielen Diktaturen der Welt Fluchtursachen schafft.
Deshalb kommt alle!
Kundgebung vor dem Innenministerium
Alt-Moabit 140, 10557 Berlin,
20. Juni 2019
14:00 Uhr