Update: Die Tragödie der rechtswidrigen BAMF–Bescheide

Bis 21.03.2020 kann man auf ARTE die Dokumentation ‚Re: Zerrissene Familien. Geflüchtete kämpfen um ihre Kinder‘ sehen.

Die Doku zeigt die aktuelle Situation von Fteim Almousa und ihrer Familie.

Fteim ist eines der Gründungsmitglieder der Initiative Familienleben für Alle“ und 2015 aus Syrien über den Libanon nach Deutschland geflüchtet.

Vier Jahre später, konnten Fteims Mann und drei ihrer Kinder endlich zu ihr nach Baden-Württemberg kommen. Nur die älteste Tochter Reham musste allein in einem libanesischen Flüchtlingslager zurück bleiben. Denn Reham ist im Juni 2018 während der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär geschützten Geflüchteten volljährig geworden und Fteim hat erst im Dezember 2018 endgültig den Flüchtlingsschutz erhalten.

Über Rehams Härtefallantrag wurde seit Monaten nicht entschieden…


Rückblick:

Fteim ist, wie viele andere syrische Flüchtlinge, seit November 2015 in Deutschland. Wie bei vielen anderen dauerte ihr Asylverfahren sehr lange.

Im Mai 2017 kommt der Bescheid des BAMF: Subsidärer Schutz. Eine Katastrophe für Fteim und für ihre Familie.

Denn ihr Mann, ihre drei Töchter und ihr Sohn Ahmed warten im Libanon auf den Familiennachzug.

Der Tagesspiegel: „Subsidiärer Schutz – das hört sich für Fteim Almousa in diesem Moment an wie gar kein Schutz. Sie kann ihre Familie nicht sehen. Mit dem Brief in der Hand wird Almousa schwarz vor Augen. Als sie in der Gemeinschaftsunterkunft ohnmächtig wird, fällt sie auf die Hüfte. Sie muss operiert werden. Es bleiben Narben. Die Angst auch.

‚Komm zurück, Fteim‘, fleht ihr Mann bei einem Telefonat am Abend. Sie antwortet: ‚Ich kann doch nicht, sie suchen nach mir, sie werden mich töten‘. Gemeinsam mit einem Anwalt reicht sie am nächsten Tag Klage gegen das BAMF ein. Wenige Tage später diagnostiziert ein Psychologe bei ihr eine Depression. Immer häufiger telefoniert sie nun auch nachts mit ihrer Familie. Auf beiden Seiten des Bildschirms herrscht Schlaflosigkeit.“

Fteim wehrt, sich, sie klagt gegen des Bescheid des BAMF und demonstriert gemeinsam mit anderen Aktiven der Initiative ‚Familienleben für Alle!‘ gegen die Aussetzung des Familiennachzugs.

Am 01.02.2018 steht sie gemeinsam mit den anderen Betroffenen und einigen wenigen Menschenrechtsaktivist*innen vor dem Bundestag und ruft, weint und schreit: „Wir sind auch Menschen“ „Wir brauchen unsere Familien“. Vergeblich. Die Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags stimmt für eine weitere Aussetzung desFamiliennachzugs – bis 01. August 2018.

Fteim versucht per Internet, trotz der Trennung, so gut es geht für ihre Kinder da zu sein. In ihren eigenen Worten: „Ich wecke sie morgens, damit sie pünktlich in die Schule kommen, ich erkläre ihnen mit Videos, was sie kochen können, ich korrigiere die Hausaufgaben, ich mache was geht. Aber manchmal gibt es tagelang kein W-Lan. Dann sind sie alleine und ich kann nicht schlafen, weil mein Herz brennt.“

09. Juni 2018: Riham, Fteims älteste Tochter wird 18. Volljährig.

Das ist kein Grund zum Feier, im Gegenteil: ab heute gilt sie im deutschen Visums- und Aufenthaltsrecht nicht mehr als Familienmitglied. Ein Familiennachzug ist nun nur noch möglich, „wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist“.

7. Dezember 2018: Das Klageverfahren geht positiv aus und drei Jahre und einen Monat, nachdem Fteim Almousa nach Deutschland kam, erhält sie endlich ihren Flüchtlingspass.

Zu spät, für Riham. Was das für Rihams Visumsantrag bedeutet ist noch unklar. „Ich warte auf den Termin“ sagt Fteim.

„Wir sind aus Staaten geflohen, in denen die Willkür herrscht – nun sind wir wieder der Willkür ausgeliefert. Das ist die selbe Behördenwillkür, die uns nur den subsidiären Schutz gegeben hat, statt den vollen Flüchtlingsschutz. Wir haben das Gefühl, ein Trauma wieder und wieder zu erleben.“

Fteim und die anderen Geflüchteten mit subsidiärem Schutz haben er­lebt, wie unfair die Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flucht sind: Im Jahr 2015 haben fast allen Menschen aus Syrien der Flüchtlingsschutz bekommen. Die Situation in Syrien ist nicht besser geworden. Trotzdem haben 2017 über die Hälfte der Asylsuchenden aus Syrien nur den subsidiären Schutz bekommen.

Zu Unrecht. Das haben zahlreiche Gerichte festgestellt: Im Jahr 2017 haben 62 % der syrischen Kläger*innen gegen das BAMF Recht bekommen.

Das bedeutet Jahre des Wartens und Leidens – zu Unrecht.

6 Kommentare

  1. Ich habe heute zufällig die ZDF Info Dokumentation über Fteim Almousa und ihrer Familie gesehen. Ich schäme mich als Deutsche über die Ungerechtigkeit Deutscher Behörden, dass solche Entscheidungen Jahrelang hinausgezögert werden. Im Grunde genommen hat jede/r Büger/in einen Anspruch darauf, dass das Prüfverfahren schnell bearbeitet wird. In meinen Augen ist es Behördenversäumnis und die Tochter hat dies auszubaden, was absolut untragbar ist! Es tut mir im Herzen weh und sogar ich kann die Ohnmacht und die Trauer der Familie vollkommen nachspüren. Gerne würde ich helfen – nur weiß ich leider nicht wie?! Mit freundlichen Grüßen und ich drücke ganz doll die Daumen, dass die große Tochter bald, bald nachkommen darf. Sie muss sogar…. alles andere wäre absolute Willkür der Behörde

  2. Nachdem ich die Dokumentation am 04.11.2021 über das Schicksal von Fteim Almousa und ihrer Familie sowie der Tochter Reham, die in Libanon zurückgelassen wurde, angeschaut habe, ist mir die Geschichte sehr zu Herzen gegangen. Ausserdem ist mir bewusst geworden, wie unerträglich und unmenschlich die ganze Situation für die Familie sein muss.
    In Deutschland, wo die Würde des Menschen als unantastbar erklärt wird, Deutschland das sich als Werte-Staat bezeichnet, erscheint mir diese Situation paradox.
    Ich denke, dass ein Anwalt wie Michael Koch in Würzburg der mit dem Caritas, Deutsche Roten Kreuz und der Diakonie Beratungsverträge abgeschlossen hat, helfen könnte. Auch http://www.caritas.de unter der Rubrik „Ausländerrecht“ bei der Vermittlung eines Anwalts helfen könnte.
    Ich empfehle der Familie Almousa Kontakt mit ihm aufzunehmen um eventuell die Angelegenheit über den Härtefall der Tochter Reham besprechen und klären zu können.
    Nur ein Anwalt kann meiner Meinung nach dieser Härtefall durchringen.
    Ich wünsche für die Familie viel Erfolg und hoffe und bete, dass die Tochter Reham endlich bald ihre Familie wieder findet.

  3. Ich begleite eine syrische Familie, die eine ähnliche, aber glücklichere Geschichte erlebt hat:
    Die Mutter kam 2015 nach Norddeutschland, die Familie durfte 2018 nachkommen – auch die beiden gerade volljährig gewordenen ältesten Töchter! Offenbar sind es nicht Stichtage, die verhindern, dass Familien die Möglichkeit erhalten zusammenzubleiben, sondern der fehlende Mut einzelner Sachbearbeiter*innen lässt Riham im libanesischen Lager zurück.
    Gibt es Initiativen, die sich für Rihams Einreise nach Deutschland einsetzen – etwa über Petitionen oder über die Kontaktaufnahme zu Politiker*innen? Ist der Flüchtlingsrat involviert?
    Über entsprechende Informationen würde mich ebenfalls freuen und versuchen, bestehende Initiativen zu unterstützen.

  4. Moin !

    Ich habe diese Doku gerade auf Phoenix gesehen. Am Ende wurde folgender Text eingeblendet:
    „Reham lebt noch immer im Flüchtlingslager im Libanon. Sie hat bisher kein Visum zur Familienzusammenführung erhalten.“
    Ist dies noch der aktuelle Stand? (Die Doku scheint ja schon fast zwei Jahre alt zu sein.)
    Wie sind die Perspektiven? Wie kann man ggf. helfen?

  5. Ich verfolge diese Geschichte und mir tut es im Herzen weh, das dieses Mädchen allein, in einem so unsicheren Land zurück bleiben muß.Schließlich haben unsere Behörden so lange gebraucht. Ich würde auch so gerne Helfen. Diese Menschen sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert