Diese Familie gehört nach Aachen.

Wir sollten jetzt bei ihm sein, und er braucht uns auch!

sagt Zinab*. Sie lebt mit ihrem Sohn Ahmed in Griechenland, während ihr Mann Farhad, Ahmeds Vater in Deutschland an Krebs stirbt.

Zinab* und Ahmed in Griechenland sprechen mit Farhad, der in Deutschland im Krankenhaus liegt.

Diese Geschichte einer Familie ist Teil der Kampagne FÜR DAS RECHT ZUSAMMENZUSEIN KÄMPFEN! Seit dem 18. März 2020 werden auf dem Blog von infomobile.w2eu.net Geschichten von geflüchteten Familien dokumentiert, die getrennt in Griechenland und Deutschland leben müssen, weil deutsche und griechische Behörden die Familienzusammenführung verweigern. Die Kampagne FÜR DAS RECHT ZUSAMMENZUSEIN fordert die Familienzusammenführung für diese und alle anderen Familien, die zwischen Griechenland und Deutschland getrennt sind.

English here: “We should be with him now, and he needs us too!”

Zinab* kam mit ihrem Mann Farhad und ihrem Sohn Ahmed, der 8 Jahre alt ist, nach Griechenland. Jetzt ist Farhad in Deutschland, von seiner Frau und seinem Sohn getrennt. Er befindet sich im Spätstadium seiner Krebserkrankung und hat nur noch wenige Monate zu leben.

Die Familie ist kurdisch, aus Afrin (Syrien). In der Türkei erfuhr Farhad, dass er schwer an Krebs erkrankt war. Da er aber Kurde ist, beantwortete keines der Krankenhäuser in der Türkei die Fragen der Familie oder kümmerte sich um sein Wohlergehen. Die Familie wurde in der Türkei allein aufgrund ihrer Kurdischen Herkunft wiederholt belästigt. Es war kein sicherer Ort für sie.

So riskierte die Familie im März 2018 ihr aller Leben, um sich in Europa in Sicherheit zu bringen, und fuhr mit einem Schlauchboot auf die griechische Insel Samos. Sie schliefen 40 Tage lang zusammengedrängt in einem Sommerzelt im “Hotspot” Vathy auf der Insel. Farhad war unglaublich krank – er erbrach sich und konnte nichts essen. Aufgrund der schrecklichen Lebensbedingungen verschlechterte sich seine Situation.

Als die Ärzte ihn untersuchten, sagten sie, er würde sterben. Es war kalt und regnete, und der Boden unter ihnen im Zelt war nass. Ahmed flehte seine Familie an, Griechenland zu verlassen. Er konnte die Toiletten nicht benutzen, da sie so schmutzig waren. Es gab kein warmes Wasser zum Waschen. Farhad litt unter den Schmerzen, und seine Familie hatte nur kaltes Wasser, um ihn zu baden, und die kalte Erde zum Schlafen.

Da Farhad dringend medizinische Hilfe benötigte, wurde die Familie in ein Flüchtlingslager auf dem griechischen Festland verlegt. Farhad befand sich in dem isolierten Lager fast einen Monat lang immer noch unter starken Schmerzen.

Als Farhad im Lager auf dem Festland ankam, hörten seine Schmerzen nicht auf. Drei Mal musste ein Krankenwagen die weite Strecke zum Lager der Familie zurücklegen, weil Farhad solche Schmerzen hatte. Sie injizierten ihm Schmerzmittel. Schließlich wurde er ins Krankenhaus gebracht, wo er zwei Monate lang blieb.

Farhad musste viele Untersuchungen machen und hatte eine Notoperation, die elf Stunden dauerte. Zinab wurde gewarnt, dass er diese möglicherweise nicht überleben würde. Zinab und Ahmed schliefen 4 Tage lang im Krankenhaus, weil das Lager, in dem sie lebten, über eine Stunde entfernt war.

Wenige Tage bevor Farhad das Krankenhaus verließ, wurden Zinab und ihr Kind in eine Wohnung in Athen verlegt. Farhad wurde dann entlassen, aber er musste jede Woche ins Krankenhaus zurückgehen und nahm regelmässig Medikamente ein.

Die Familie blieb etwa sechs Monate in Athen zusammen, aber alle, auch Farhads Ärzte, sagten, dass er bessere Überlebenschancen hätte, wenn er in Deutschland behandelt würde, weil dort ein besser ausgestattetes öffentliches Gesundheitssystem bestehe und der Zugang zu den notwendigen Medikamenten gesichert sei. Farhad sagte, seine griechischen Ärzte behandelten ihn sehr gut, aber er hoffe, dass er anderswo mehr Chancen habe sich zu erholen und seine gefährliche Krankheit zu überleben.

Während seiner gesamten Zeit in Griechenland litt Farhad sehr. Er hatte sogar daran gedacht, Selbstmord zu begehen, um seinen Schmerz zu beenden. Es war eine schwere Entscheidung und eine zermürbende Reise, aber im Januar 2019 floh Farhad allein weiter nach Deutschland. Der Familie fehlte die finanzielle Möglichkeit, ihn zu begleiten. Er ging nach Deutschland, um gesund zu werden und um für sein Leben und für seine Familie zu kämpfen.

Die Familie hatte keine Ahnung, dass sie am Ende für so lange Zeit getrennt sein würden. Als sie begriffen, wie schwierig es war, wieder zusammen zu finden, suchten sie sich in Athen eine Anwältin, die ihnen mit ihrem Familiennachzug über die deutsche Botschaft hilft.

Doch über ein Jahr später ist die Familie noch immer getrennt. Wegen des Krieges ist es schwierig, wichtige Dokumente aus Syrien zu erhalten. Farhad hat nicht mehr lange zu leben.

Die Familie telefoniert fast täglich per Videoanruf, aber das ist ein grausamer Ersatz für das gemeinsame Leben am gleichen Ort, vor allem, wenn nur noch wenig Zeit bleibt. In seinen wachen Stunden spricht Ahmed von seinem Vater – er erzählt seinen Freunden in der Schule, dass er bald zu ihm nach Deutschland gehen wird. Er fragt seine Mutter, wann er seinen Vater wieder küssen oder mit ihm durch die Straßen spazieren kann. Während er schläft, träumt Ahmed von Farhad.

Auch Zinab kann das Leben ohne ihren Mann neben ihr nicht ertragen. Sie fürchtet, dass niemand bei ihm ist, um die einfachen Dinge für ihn zu erledigen, mit ihm zu reden, ihm ein Glas Wasser zu geben.

In den letzten Wochen ist Farhad mehrfach operiert worden. Der kleine Ahmed weint tagelang, er sagt, er möchte seinen Vater sehen, er möchte, dass seine Familie zusammen ist. Zinab versucht, stark zu sein, aber auch sie weint oft.

Information zur den Hindernisse in der medizinischen Versorgung, denen Krebspatient*innen in Griechenland gegenüberstehen


*Name geändert, die Aktivist*innen vom infomobile.w2eu.net vermitteln gern den Kontakt: contact@w2eu.info

2 Kommentare

  1. Hallo zusammen,

    Wurde in Aachen schon etwas unternommen um die Familienzusammenführung voranzutreiben, ein Härtefallantrag gestellt zum Beispiel?

    1. Liebe Sandra,

      wir freuen uns sehr über dein Interesse! Ich habe deine Frage an die Unterstützer*innen in Griechenland weiter geleitet, sie melden sich sicher bald bei dir.
      Herzliche Grüße aus Berlin,
      Dorothea

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert