Ab August geht es los?

Letzte Woche hatten wir eine Anfrage einer Journalistin: Sie möchte einen Flüchtling treffen, der darauf wartet seine Familie nachzuholen und bei dem der Nachzug, nun mit der neuen Regelung, kurz bevor steht. Diese Familienzusammenführung will sie mit der Kamera begleiten.

Eine schöne Idee, aber uns ist leider keine betroffene Familie bekannt, deren Zusammenführung kurz bevor steht, sondern nur Betroffene, die seit sehr langer Zeit warten.

Wir bezweifeln auch, dass es Familien von subsidiär Geschützten gibt, deren Zusammenführung in absehbarer Zeit stattfinden wird. Warum? Hier ein kurzer Überblick über die Hürden:

  • Voraussetzung für ein Visum zum Familiennachzug ist ein Antrag bei einer der zuständigen Botschaften, der nur mit einem Termin gestellt werden kann. Nach Angaben des Auswärtigen Amts haben sich bereits rund 26 000 Familienangehörige von subsidiär Geschützten auf die entsprechenden Terminlisten eingetragen. In der Terminliste der Botschaft Beirut zum Beispiel konnten sie das seit September 2016 tun.
    In unserem Netzwerk, in dem rund 60 Geflüchtete mit subsidiärem Schutz engagiert sind, hat noch keine Familie einen Termin. Stattdessen wird auf Facebook und in Whats-Up-Gruppen heftig debattiert, wie denn nun an einen Termin zu kommen ist.
    Eindeutige Informationen dazu findet man nur schwer. Das Auswärtige Amt informierte in einer Rundmail der IOM am 06.07. darüber, dass bereits bestehende Terminregistrierungen ihre Gültigkeit behalten. Gleichzeitig wurde eine neue Terminliste für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten vom Auswärtigen Amt eingerichtet. Die zu Recht verunsicherten Betroffenen, werden für Auskünfte an das Family Assistance Programm der IOM verwiesen.
  • Es ist zur Zeit noch ungeklärt, wie das Antragsverfahren nach dem Vorsprachetermin bei der Botschaft konkret weiter gehen wird, und wie lange es dauern wird.
    Der Gesetzgeber sieht die Beteiligung folgender Ministerien/Behörden vor:
    – Auswärtiges Amt: Zuständige dt. Auslandsvertretung
    – Innenministerien des Bundes/der Länder/Kommunen: zuständige Ausländerbehörde
    – Bundesverwaltungsamt
    – Weiter Behörden zu Sicherheitsfragen
  • Die Entscheidung darüber, ob ein Humanitärer Fall vorliegt, erfolgt nach Ermessen. Ermessenleitende Hinweise der zuständigen Ministerien/ Behörden liegen (soweit wir wissen) noch nicht vor.
  • Aus Erfahrung wissen wir, dass ein Visumsverfahren für den Familiennachzug zu Flüchtlingen bis zu 6 Monaten (Botschaft Beirut) dauern kann.Dies in Fällen, in denen „nur“ die Personenstandsdokumente + das Verwandtschaftsverhältnis und das Vorliegen von Versagungstatbeständen geprüft werden muss, weil ein Rechtsanspruch (zu Menschen, die als asylberechtigt oder nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt sind) vorliegt. Beim Familiennachzug zu subsidiär Geschützen werden nun eine ganze Reihe von Kriterien für humanitäre Gründe und Integrationsleistungen des hier lebenden Familienmitglieds geprüft und nach Ermessen entschieden werden. Das wird aller Voraussicht nach in vielen Fällen noch länger dauern.
  • Für das Bundesverwaltungsamt wird noch eine Software entwickelt, mit der die 1000 pro Monat Menschen ausgewählt werden. Auch bei den anderen Behörden müssen IT-Umstellungen umgesetzt werden. (Vgl. Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrats)

Zusammengefasst: Betroffene Familien, deren Zusammenführung nach diesem Gesetz kurz bevor steht, werden sich unserer Einschätzung nach frühestens ab November finden lassen – wenn alle beteiligten Ministerien und Behörden sich richtig Mühe geben.

Es würde uns freuen, wenn Journalist*innen Interesse haben, betroffene Familien in diesem Prozess bis zum glücklichen Ende oder dem Scheitern des Visumsantrags zu begleiten. Wir vermitteln sehr gerne den Kontakt.