Wir bedanken uns bei allen, die uns geholfen haben, mit uns demonstriert haben oder mit uns auf Veranstaltungen diskutiert haben. Wir hoffen unser Rückblick auf das Jahr 2019 gefällt Ihnen/ euch.
Liebe Freund*innen, wir wünschen euch und euren Familien einen guten Start ins neue Jahr und viel Mut und Kraft, um für eure Rechte zu kämpfen!
نشكر جميع أولئك الذين أظهروا معنا وساعدونا. نأمل أن تستمتعوا بمراجعتنا لعام 2019.
أصدقائي الأعزاء،
نتمنى لك ولأسرتك بداية جيدة للعام الجديد والكثير من الشجاعة والقوة للقتال من أجل حقوقك!
Januar 2019
Jahrelanges Warten auf Termine, unerfüllbare Anforderungen von einzureichenden Dokumenten, undurchschaubare Entscheidungsprozesse, Ablehnungen ohne Begründung… In Sozialen Netzwerken und Beratungsstellen klagen viele Betroffene über die Visa-Vergabepraxis der deutschen Botschaften.
Auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Kampagne ‚VisaWie? Gegen diskriminierende Visaverfahren‘ informieren wir über bürokratische Hürden in Visaverfahren und tauschen uns aus.
Dabei wird klar: Hinter den bürokratischen Regeln und Gesetzen, die Visa verhindern, steht ein System: Ein Grenzregime, das Macht und Privilegien des Globalen Nordens manifestiert.
Februar 2019
Kiel / Osnabrück / Mainz / Köln / Berlin Rund 60 Initiativen und Organisationen haben unsere Initiative zu einem Aktionswochenende für Familiennachzug und Grundrechte aufgegriffen:
Gemeinsam erinnern daran, dass am 1. Februar vor einem Jahr im Vorgriff auf die Große Koalition aus Union und SPD im Bundestag eine folgenreiche Entscheidung fiel: Der Familiennachzug für die Familienangehörigen von subsidiär geschützten Geflüchteten wurde bis zum 1. August 2018 weiter ausgesetzt.
Am 1. August 2018 ist dann das sogenannte Familiennachzugsregelungsgesetz in Kraft getreten. Aus den Visumsanträgen von Familienangehörigen von subsidiär Geschützten sollen 1.000 Personen pro Monat ausgewählt werden, die als „humanitäre Fälle“ einreisen dürfen.
Die Erfahrungen bis Ende 2018 zeigen: Das Antragsverfahren ist kompliziert und die beteiligten Behörden bearbeiten die Anträge derart langsam, dass nur rund die Hälfte des ohnehin kleine Monatskontingent einreisen konnte. Offenkundig ist das Visumsverfahren vom Bundesinnenministerium (BMI) bürokratisch überfrachtet worden, um den Familiennachzug weiter zu blockieren.
Hier sind Fotos, Reden und Presseberichte.
Am Valentinstag, dem Tag der Liebenden, starten wir eine Kampagne auf Twitter:
Bis zum 8. März, dem Tag der Frauenrechte, twittern wir jeden Tag ein Foto einer Familie, die durch Aufenthaltsrecht und Visapolitik getrennt ist.
Wir sind davon überzeugt: Wer für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen eintritt, sollte das Recht auf Familienzusammenführung fordern. Denn Aufenthaltsrecht und Visapolitik verhindern für viele Frauen ein selbstbestimmtes Familienleben.
März 2019
In diesem Monat wird sehr deutlich wie vielfältig die Perspektiven in unserer Kampagne ‚Familienleben für Alle!‘ sind.
Dorothea stellt unsere Kampagne bei der Strategiewerkstatt der Bewegungsstiftung vor, während am selben Wochenende in Wiesbaden Geflüchtete gegen die Verschleppung der Visaanträge ihrer Familienangehörigen protestieren. Denn in Hessen wurden bisher kaum Visa ausgegeben, manche Anträge wurden bei den zuständigen Ausländerbehörden monatelang nicht bearbeitet. Die Flüchtlingsaktivist*innen posten auf Facebook den Redebeitrag eines 12-jährigen Jungen, der in bewegenden Worten schildert, wie sehr er seine Eltern vermisst.
Am Frauenkampftag schildern wir mit „vier Frauenstimmen“ wie Alltagsrassismus, Behörden und Gesetze unser Recht auf Selbstbestimmung einschränken und „verlangen Respekt für alle Formen von Familie und das Recht auf Zusammenleben mit unseren Familien.“
Der 16. März ist für viele Flüchtlinge ein wichtiges Datum und ein trauriger Tag. Es ist der Tag des gebrochenen Versprechens: Zwei Jahre lang haben Geflüchtete mit subsidiärem Schutz ein Informationsblatt über ihre „Rechte und Pflichten“ von BAMF bekommen, darin stand: „Nach dem 16. März 2018 haben Ehegatten und minderjährige ledige Kinder einen Anspruch auf Familiennachzug“. Was stattdessen geschah schränkt bis heute ihr Grundrecht auf ein Familienleben ein. Daran erinnern wir mit einer Kundgebung, diesmal auf Wunsch der Aktiven in NRW in Köln. Hier findet ihr Fotos von der Kundgebung und einen Redebeitrag vom Kölner Flüchtlingsrat.
Die Einschränkungen des Familiennachzug sind verbunden mit anderen Einschränkungen von Grundrechten von Flüchtlingen und Migrant*innen. Deshalb protestieren wir am 30. März gemeinsam mit Aktivist*innen der Seebrücke und vielen anderen gegen das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ – wir nennen es treffender „Hau-ab-Gesetz„. Bruno spricht über Fluchtursachen und Sebastian und Fadi über den aktuellen Stand der Familienzusammenführung zu subsidiär geschützten Flüchtlingen.
Am Abend der Demo ist eine Info- und Benefizveranstaltung im Mensch Maier geplant, die wegen eines Polizeieinsatzes ausfällt. Deshalb entsteht auf dem Parkplatz eine Videobotschaft von Elly, die wir auf Facebook posten.
Wir sind verschieden, aber wir haben ein gemeinsames Ziel: Wir wollen in einem Land leben, in dem die Menschen und die Regierung Menschenrechte respektieren.
April 2019
Eine Bundesratsinitiave versickert im Sand…
Die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Thüringen haben am 09.04.2019 eine Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht. Der Gesetzentwurf enthält zwei Verbesserungen beim Familiennachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen:
- Die Eltern von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und von unbegleitetenden Minderjährigen mit subsidiärem Schutz sollten ihre anderen minderjährigen Kinder, also die Geschwister, beim Familiennachzug mit bringen dürfen.
- Außerdem sollte das Urteil vom 12. April 2018 des Europäische Gerichtshofs in einem deutsches Gesetz umsetzt werden: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die während des Asylverfahrens volljährig geworden sind, sollen ihre Familie unter bestimmten Bedingungen trotzdem nach holen dürfen.
Der Gesetzentwurf wurde ohne Debatte an Ausschüsse verwiesen und – auf Empfehlung des federführenden Innenausschuss – von der Tagesordnung des Bundesrats genommen. Das war’s dann.
Deutsche Gesetze an Europarecht und an Menschenrechten und Kinderrechten auszurichten, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, ist es aber leider nicht. Der Gesetzgeber wartet einfach ab, bis – nach Jahren – Gerichte darüber entscheiden…
Mai 2019
Viele Paare und Familien müssen für ihre Liebe kämpfen
Wir beteiligen uns an der Demonstration “Abschiebehaft abschaffen! Für eine (Un)Geordnete Rückkehr zur Menschenwürde und Solidarität!” und schildern in einem Redebeitrag einige Beispiele von grausamen Familientrennungen durch Abschiebung.
Für uns ist klar: Solche grausamen Abschiebungen verletzen nicht nur die Grund – und Menschenrechte derjenigen, die abgeschoben werden. Sie verletzen auch das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie der zurück gebliebenen Familienmitglieder.
Und diese menschenverachtenden Abschiebungen drohen vielen binationale Paaren und Familien. Denn im deutschen Aufenthaltsrecht gilt eine völlig absurde Regel: Wer in Deutschland geheiratet hat, muss oft ausreisen, um vom sogenannten Heimatland aus ein Visum zur Einreise als Ehepartner*in zu beantragen. Ausreisepflicht steht an oberster Stelle. Viele binationale Paare müssen sich gleich nach der Heirat wieder auf unbestimmte Zeit trennen, um eine drohende Abschiebung zu vermeiden.
Es entscheiden Behörden, Bootschaften,Visa, Dokumente, Stempel, Paragrafen und Beamte, ob zwei Menschen zusammen leben dürfen oder nicht. Ein autoritäres System gilt mehr als die Entscheidung von Menschen für ein Zusammenleben.
Juni 2019
Unser Zeugnis für das BAMF
Als erwerbslose Migrant*innen, schutzsuchende Flüchtlinge und ihre Unterstützer*innen und Lehrende in Integrationskursen kennen wir die Arbeit des Bundesamts für Migration und Flucht aus Erfahrung. Deshalb übergeben wir auf unsere Kundgebung „Solidarität statt BAMF“ dem Innenministerium, als überordnetes Ministerium unsere Beurteilung der Arbeit des BAMF.
Das Zeugnis macht deutlich: Die Praxis des BAMF missachtet das Recht auf Schutz und das Recht auf ein selbstbestimmtes Famlienleben.
Zum Beispiel: „Umsetzung von EU-Asylrecht ……………….. mangelhaft
Nach der Dublinverordnung gilt, dass Familien ein Asylverfahren im selben Land haben sollten. Deshalb stellten in den ersten fünf Monaten 2019 die griechischen Asylbehörden 626 Anträge auf Familienzusammenführung im sogenannten Dublinverfahren, weil sie festgestellt hatten, dass die betroffenen Flüchtlinge Familienmitglieder in Deutschland haben. Davon lehnte das BAMF 472 Anträge, also rund drei Viertel ab. Damit ignoriert das BAMF humanitäre Notlagen, Aspekte des Kindeswohl und Menschenrechte und stiehlt sich aus der gemeinsamen europäischen Verantwortung.“
Juli 2019
„Eure Erfahrungen sind wichtig. Schickt uns eure Geschichte!
Wir wollen sie gemeinsam mit euch öffentlich machen“ sagen wir den Familien, die unter Familientrennungen durch Aufenthaltsrecht und Visapolitik leiden. Wir wollen ihnen zeigen, dass sie mit ihrem Schmerz nicht alleine sind. Außerdem hoffen wir, dass diese Geschichten dazu beitragen, Menschen zu motivieren, sich für Familienzusammenführung und Grundrechte für Alle einzusetzen.
Manchmal sind es „nur“ kurze Kommentare von Betroffenen auf unserer Homepage, zum Beispiel schreibt Allahham, die ihre zwei Kinder 2015 in Syrien lassen musste: „Seit 4 Jahr kann ich nicht schlafen und bin immer am Weinen. Ich will nur normal leben wie alle Mütter und mit meinen Kindern zusammen sein. Das ist ein Recht für jede Mutter.“
Manchmal ist es ein Hilferuf, wie der von Doro Schwarz: Sie bringt am „schlimmsten Tag in ihrem Leben“ noch die Kraft auf, dazu aufzurufen, Protestbriefe, Faxe oder E-Mails an den politisch verantwortlichen Innenminister Bayerns zu schreiben, um die Abschiebung ihres Lebensgefährten zu verhindern.
Manchmal ist es eine verzweifelte Frage, wie die von Daniela: Warum tut man uns das an?
Manchmal sind es lange Texte, wie der von Waseem, der mit 16 allein aus Syrien fliehen musste. Er hat für uns seine Flucht beschrieben: Grenzbeamte schossen auf ihn oder griffen ihn mit Tränengas an. Zu Fuß, mit dem Schlauchboot, schwimmend und versteckt im Kleinlaster…
Immer war seine Hoffnung, sich „selbst in Sicherheit zu bringen und dann den Rest meiner Familie nachzuholen.“
August 2019
Visaverfahren zum Familiennachzug zu subsidiär geschützten Geflüchteten sind ein unfairer Wettbewerb.
Das machen wir am 01. August mit unserer Protestaktion auf dem Berliner Oranienplatz deutlich. Mit einer Kundgebung erinnern wir daran, dass am 1. August 2018 § 36a im Aufenthaltsgesetz in Kraft trat, der Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen massiv einschränkt. Seitdem werden die Betroffenen zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin und her gerissen. Das Visumverfahren zur Familienzusammenführung ist ein undurchschaubares bürokratisches Monster und bedeutet oft jahrelanges Warten in Unsicherheit und Angst. Dazu kommt, dass die Bearbeitungsdauer in verschiedenen Bundesländern extrem unterschiedlich ist. Das verunsichert die Betroffenen, sie fühlen sich – zurecht! – der Behördenwillkür ausgeliefert.
Mehr Fotos findet ihr hier: Familiennachzug: Wettbewerb mit schlechten Gewinnchancen
September 2019
Der „Schutz des Staates“ für Ehe und Familie gilt offensichtlich nicht für alle.
Für Menschen ohne EU-Pass oder die deutsche Staatsbürgerschaft und für ihre Partner*innen ist die Frage, ob und wie sie eine Familie gründen oder mit ihrer Familie zusammenleben, keine private Entscheidung: Einschränkungen des Familienlebens durch Aufenthaltsrecht und der Verdacht von „Scheinehe“ oder „Scheinvaterschaft“ steht immer im Raum, an heteronormativen Mustern der monogamen Kleinfamilie wird jede Familie gemessen.
Warum? Das diskutieren wir in unserem Workshop auf dem„Feminist Futures Festival“ Er ist unter über 100 Workshops und Events einer der sehr wenigen, die sich konkret mit den Schnittstellen und Widersprüchen von Aufenthaltsrecht und Familienpolitik beschäftigt.
Unser Fazit: Es wird Zeit, dass Feminist*innen sich (wieder) mit dem Thema Bevölkerungspolitik beschäftigen!
Oktober 2019
„Wir atmen dieselbe Luft. Wir müssen zusammenkommen. Wir können Probleme nur zusammen lösen.“
So brachte der Aktivist Alassane Dicko aus Mali auf der Strategiekonferenz sozialer Bewegungen die Notwendigkeit zur Vernetzung auf den Punkt. Und darum ging es bei der Strategiekonferenz sozialer Bewegungen vom 18.-20. Oktober in Berlin: Kleine und große Initiativen aus sozialen Bewegungen wollten angesichts von Rechtsruck, sozialer Spaltung, Klimakrise und Abschottung Europas zusammenkommen, sich austauschen und sich gegenseitig stärken.
Einige von uns waren bei der Konferenz dabei und haben mit diskutiert.
Dorothea und Bruno haben das zum Anlass genommen, einmal laut über Vernetzung und Bündnisse nachzudenken.
November 2019
Das UPDATE braucht ein neues UPDATE…
Im Oktober gab es endlich ein komplettes UPDATE unseres Infoblatts: Informationen zum Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutz. Aber wenige Tage nachdem wir das Infoblatt fertig hatten, wurde bekannt: Seit Monaten kann das Bundesverwaltungsamt keine 1000 „Humanitären Fälle“ unter den Visaanträgen von Familienangehörigen von Menschen mit subsidiärem Schutz auswählen, weil ihm dafür nicht genügend Anträge vorliegen. Das Bundesverwaltungsamt stimmt deshalb allen Anträgen zu. Trotzdem waren das seit August 2019 nur noch ca 800 Visaanträge pro Monat. (Quelle) Es kommt also nicht darauf an, wer dringendere „Humanitäre Gründe“ hat. Entscheidend ist nur einen Termin bei der Botschaft zu bekommen und die Frage, wie schnell oder langsam die zuständige Botschaft und die zuständige Ausländerbehörde den Antrag bearbeiten.
Das UPDATE braucht also ein neues UPDATE… Außerdem arbeiten wir an einem Infoblatt mit Informationen zum Familiennachzug für Eltern von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen erscheinen. und weiteren Infoblättern…
Ermöglicht werden die Updates und Infoblätter durch eine Projektförderung von November 2019 bis April 2020 von der Stiftung :do. Das ist eine große Anerkennung unserer Arbeit. Denn die Stiftung :do fördert vor allem „Initiativen, die für ein solidarisches Miteinander und eine nicht-rassistische Politik eintreten und dadurch die herrschende Realität von Flucht und Migration grundsätzlich in Frage stellen.“
Danke!
Dezember 2019
Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte erinnern wir an das Recht auf ein selbstbestimmtes Familienleben
Wir zeigen den Film ARTE Re: Kein Recht auf Familie? Er erzählt die Geschichte von Fteim Almousa und ihrer Familie. Sie und ihre Familie müssen jahrelang auf ein gemeinsames Familienleben warten. Denn Fteim hat zunächst nur den ’subsidiären Schutz’ und muss lange auf das Gerichtsurteil warten, das ihr den Flüchtlingsschutz zuspricht…
Die Regiseurin Denice Dismer berichtet über die aktuelle Situation der Familie: Inzwischen, vier Jahre später, konnten Fteims Mann und drei ihrer Kinder endlich zu ihr nach Baden-Württemberg kommen. Nur die älteste Tochter Reham musste allein in einem libanesischen Flüchtlingslager zurück bleiben. Denn Reham ist im Juni 2018 während der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär geschützten Geflüchteten volljährig geworden…
Seit 23.12.2019 bis bis 21.03.2020 ist auf ARTE die Fortsetzung der Dokumentation zu sehen: Re: Zerrissene Familien – Geflüchtete kämpfen um ihre Kinder